MAPPING QUEER – QUEER MAPPING: ERSTE EINDRüCKE AUS SAN FRANCISCO UND LOS ANGELES

Katrin Köppert

In Vorbereitung der Forschungsreise in die USA 2011 hat Susanne Regener schon einmal vorab Eindrücke und Materialien in Los Angeles und San Francisco gesammelt, die hier ersten Überlegungen zugeführt werden sollen.
 
Im Zuge einer Kartographierung San Franciscos sind allein schon die topografischen Besonderheiten und geologischen Beschaffenheiten der Einbuchtung und Hügellandschaft im Verständnis einer queeren Architektur interessant. Nichts ist gerade, es gibt keine Blickachsen. Imaginationen dunkler Ecken und nicht einsehbarer Passagen tauchen vor dem inneren Auge auf und lassen Szenarien heimlicher Kontakte im öffentlichen Raum entstehen (Mooshammer 2005). Cruising als schwule Praxis eingelassen im städtischen Raum impliziert zugleich das Nichtfeststehende und Zirkulierende Queerer Theorie. Zugleich begünstigt die räumliche Struktur der durch steile Straßen und Hügel voneinander nahezu unterteilten Distrikte, dass sexuelle Wanderungsbewegungen Ballungsräume schaffen (Rubin 1984). Das Castro kann als Sinnbild einer räumlichen Organisation von Gays verstanden werden, das sich mittels sichtbarer Symbole wie der Regenbogenfahne zu behaupten versucht – auch um der moralischen Panik (Cohen 1972, Hall 1978, Rubin 2003) vor homophoben Übergriffen im Kiez vorzubeugen. Die Regenbogenfahne hilft, das Viertel zu markieren und zu repräsentieren – und sie soll symbolisch nach innen eine Stärkung erzeugen.
 
Passend zu den Überlegungen über Privatheit und Öffentlichkeit zeigte ONE Archives, Gallery & Museum in Los Angeles zur Zeit des Besuchs Susanne Regeners die Ausstellung „Out of the Closet & into the Street“ des Center for the Study of Political Graphics. Die Posterausstellung dokumentierte nicht nur LGBTQ Kämpfe und Zelebrationen sondern den Gang einer in Bars, Clubs, Klappen und Schwimmbädern verkehrenden Community auf die Straße als Ort öffentlichen Protests. Diese Umcodierung von Öffentlichkeit und von Versteck (Sedgwick 2003) hinsichtlich politischer Belange wurde dabei von Grafiken und Statements auf Postern nicht nur getragen sondern bestimmt. Der auf dem Flyer zur Ausstellung visualisierte Schrei evoziert zugleich die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Emotionen und persönlichen Wünsche, damals die Missstände anzuklagen und zu politisieren, derart verschüttet werden konnten, dass die heutigen Parolen (Stop the Violence Stop Hate) und Symbole (Regenbogenfahne) nahezu entleerte Signifikanten bilden. Die Künstlerin Sharon Hayes konstatierte zu recht in ihrer Performance 2007: I March In The Parade Of Liberty, But As Long As I Love You I’m Not Free.
 
Dennoch finden Veränderungen auf dem Feld des Begehrens statt. Anlässlich der Leather Week und des 27. Folsom Street Fair in San Francisco im September stellt Gayle Rubin im Bay Area Reporter fest, dass sich die Grenzen der Leder-Community dahingehend verschoben haben, dass Leder nicht mehr zwingend nur mit schwuler Maskulinität zusammenhängt, sondern Frauen und heterosexuelle Männlichkeiten die Grenzen haben porös werden lassen. Kann daher hier damit geschlossen werden, dass Sexualität und Begehren mehr politisches Potential haben, als das öffentliche Skandalieren markiger Statements? Zumindest behauptet dies Matt Baume in seiner Headline Politics and leather a natural alliance in SF.
 
Spannend wird demnach sein, was das am 10. Dezember 2011 eröffnende Museum der GLBT History Society für Positionierungen und Visualisierungen zu bieten haben wird. Im Februar und März 2011 wird neben der GLBT History Society das James C. Hormel Gay & Lesbian Center zu besuchen sein, das im September die Ausstellung Celebrating Fabulous/Activist Bay Area Lesbians with Disabilities zeigte.
 
 
Cohen, Stanley (1972): Volksteufel und Moral versetzt in Panik, London: Mac-Gibbon und Kee.
 
Hall, Stuart, et al. (1978): Polizeilich überwachen der Krise: Mugging, der Zustand und das Gesetz und der Auftrag, London: Macmillan Druck.
 
Mooshammer, Helge (2005): Cruising. Architektur, Psychoanalyse und Queer Cultures, Wien: Böhlau.
 
Rubin, Gayle (2003): „Sex denken: Anmerkungen zu einer radikalen Theorie der sexuellen Politik“, in: Andreas Kraß (Hg.): Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 31-79.
 
Sedgwick, Eve Kosofsky (2003): „Epistemologie des Verstecks“, in: Andreas Kraß (Hg.): Queer denken. Gegen die Ordnung der Sexualität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 113-143.

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