EINBLICK IN DIE USA-FORSCHUNG DES PROJEKTS

Katrin Köppert

Im Rahmen meines ersten Forschungsaufenthaltes in den USA besuchte ich verschiedene Archive in Los Angeles und San Francisco. Historische Archivarbeit ist Kerngeschäft des Projektes. Um Thesen bezüglich der Mediengeschichte von Selbstinszenierungen schwuler Männlichkeiten formulieren zu können, müssen Selbstzeugnisse erschlossen werden. Selbstbilder, die heute via YouTube, Flickr, Facebook sowie die immer näher und ganzheitlich an den Menschen heranrückende Internettechnik per Smartphone schnell und einfach zugänglich sind, müssen für eine historische Perspektive in teilweise mühevoller Detailarbeit ausfindig gemacht und gehoben werden. Archive, welche die Geschichte schwullesbitransidenter Personen dokumentieren sind dabei erste Anlaufstelle, wobei auch hier nicht immer ersichtlich ist, welches private Foto- und Bildmaterial sich in Nachlässen befindet. Entgegen den deutschen Archiven schwullesbischer Geschichte verwalten zumindest die von mir besuchten Archive ONE National Gay & Lesbian Archives (Los Angeles), GLBT Historical Society (San Francisco), James C. Hormel Gay & Lesbian Center (San Francisco) und San Francisco Historical Photography Collection sehr gute Online-Kataloge, die anhand des Online Archive of California (OAC) zentralisiert sind. Dies ermöglichte mir vor meiner Reise detailliert recherchieren zu können. Gleichwohl mir die Findbücher nicht vermitteln können, wie das Bildmaterial beschaffen ist, was abgebildet wird, wie Fotos angeordnet und im Kontext des Gesamtnachlasses arrangiert sind. Demzufolge tauchte ich in die Kälte der Archive ab (im März war es ungewöhnlich kalt in LA), die durch die Hilfsbereitschaft und Neugierde der Archivar_innen abgefedert werden konnte. Inmitten von über 3 Millionen Sammlungsobjekten fand ich im ONE National Gay & Lesbian Archives, das – 1952 gegründet – die älteste „queer history“ Sammlung in den USA ist, Mengen an Fotoalben, Fotoserien und Scrapbooks, die nun zur Auswertung anstehen. Das Material umspannt einen Zeitraum von 1895 bis in die Gegenwart, konzentriert sich jedoch auf die 1950er bis 1990er Jahre. Das Material, das ich bei der GLBT Historical Society (San Francisco) fand, deckt wiederum den Zeitraum des Zweiten Weltkrieges ab und verspricht aufschlussreiche Einblicke in die Lebensumstände schwuler und lesbischer Soldat_innen im Kontext alliierter Streitmächte. Bei der San Francisco Historical Photography Collection erwies sich, wie wichtig der Kontakt zu den Archivar_innen ist. Ohne deren Ideen und Hilfeleistungen hätte ich Quellen wie z.B. des durch das San Francisco History Center initiierten Foto-Projektes „Shades of San Francisco“ nicht zu sehen bekommen. Ziel dieses war es, private Fotos verschiedener Neighborhoods – z.B. der Castro und Valencia Street zusammenzutragen, um die Stadt vielfältig zu repräsentieren. Dass zur stadtsoziologischen und –historischen Dokumentation private Fotos genutzt werden, ist nicht nur aus Perspektive der Visual History und Visual Sociology von Interesse, sondern berührt aufgrund dessen, dass es sich um Bilder von schwullesbitrans* Personen handelt, auch Fragen queerer Selbstinszenierung im städtischen Raum – was spätestens seit Stonewall und dem Aufkommen von Pride Paraden relevant ist. Zugleich wird auszuwerten sein, inwiefern wir diese Fotografien auslesen können. Schließlich belaufen sich lebensgeschichtliche Kontextualisierungen auf einige wenige Informationen, so dass die soziokulturelle Funktion dieser Fotografien jenseits ikonografischer Repräsentation von bestimmten Posen und Gesten schwer zu erschließen ist.

Nichtsdestotrotz scheint die Gewichtung, die den Fotos durch das Zentrum beigemessen wird, einem Trend zu entsprechen, das Selbst und dessen Inszenierungen, Darstellungen und Konzepte stärker zu fokussieren. Ein Trend schließlich, der aufgrund der technischen Entwicklung sozialer Netzwerke im Silicon Valley bei San Francisco mitbestimmt wird.

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